Die Glyptothek in München ist ausschließlich der antiken Skulptur gewidmet, und präsentiert die Exponate in einem sehr reduzierten, und damit perfekten Rahmen:
Nichts an den sandfarbigen Wänden und schlichten Sockeln lenkt von den Skulpturen ab, die großen Fenster sorgen für eine schöne Beleuchtung mit Tageslicht. Viele der Skulpturen und Büsten stehen frei mitten im Raum und können von sämtlichen Seiten studiert werden, dazu gibt es umfassende Informationen zum Lesen oder Hören mittels Audioguide.
Den Umstand, dass das Fotografieren erlaubt war, nutzte ich natürlich weidlich aus.
Die Veröffentlichung der Bilder habe ich – den vielen Aufnahmen geschuldet – wieder auf mehrere Postings verteilt, zumal eine meiner Lieblingsfiguren, ein ruhender Satyr (Barberinische Satyr oder Barberinische Faun), ohnehin einen Post für sich ganz alleine verdient hätte:
Abgesehen davon, dass der Satyr natürlich ein ganz besonderes Exponat ist (er steht auch in einem eigenen Raum), waren die übrigen Skulpturen nicht minder beeindruckend: Es finden sich Originalskulpturen aus archaischer Zeit, griechischer Klassik und Hellenismus bis hin zu römischer Kaiserzeit und Spätantike. Besonders bemerkenswert finde ich in meiner heute veröffentlichen Bildersammlung die (Kopie der) Sitzstatue einer alten Frau mit Lagynosflasche:
Sie ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass in der Kunst Hellenismus, dem sie (auch wenn sich ihre Entstehung nicht mehr genau datieren lässt) zugeordnet wird, nicht mehr wie zuvor in der griechischen Klassik ausschließlich der ideale „genormte“ Körper im Vordergrund stand, sondern sich zunehmend dem Individuellen zugewandt wurde. Dieses verstärkte Streben nach Realismus, das in der Darstellung auch Unvollkommenheit und Makel einschloss, bediente sich expressionistischer Stilelemente und beschränkte sich nicht mehr nur auf Darstellungen von Göttern oder Herrschern, sondern bezog auch alte Menschen, Kinder und Kranke mit ein. Zustände wie Trunkenheit, Lust und Leid wurden ausdrucksstark herausgearbeitet. Die Statue der mageren alten Frau mit dem nach oben gereckten Kopf und leicht geöffnetem Mund wirkte auf mich im allerersten Moment wie das Abbild einer Bettlerin – dem entgegen sprach die Gewandung, die mit dem Chiton und dem darüber getragenen, in reichen Falten fallenden Himation der Kleidung vornehmer Frauen damaliger Zeit entspricht. Das sorgfältig frisierte Haar und der Schmuck deuten ebenfalls darauf hin, dass sie einen gewissen Status innehatte.
Die Interpretationen der Statue sind daher auch so vielfältig wie interessant:
Sie reichen unter Anderem von der einer Bacchuspriesterin, über einen Künstlerspaß für den Park eines Dionysos – Verehrers bis hin zu gesellschaftskritischer Interpretation und der Betonung sozialer Problematik, in der es dem Bildhauer darauf angekommen sei, auf das Elend ausgestoßener, alter Frauen aufmerksam zu machen. Andere sehen in ihr eine ehemalige Hetäre aus dem Komödientopos. Dem widerspricht die Interpretation von Christian Kunze, für den die Bildidee auf die am Boden hockenden Satyr-Darstellungen zurückgeht. Er sieht in ihrer Gestaltung die Rolle eines irdischen Gegenstückes zu den Satyrn, das besonders das Motiv der Trunksucht betont.
Nachfolgend weitere Bilder (unterschiedlicher Entstehungszeit)
Mehr Bilder und Informationen folgen – zwischendurch mache ich allerdings noch mit weiteren Bilderserien neuer Entwürfe aus meiner Kollektion weiter.
Habt einen schönen Wochenenfang,
Eure Rohmy
Der Artikel erschien zuerst am 09.07.2017