KUNST & KULTUR SPOTLIGHT

Kunst oder Sexismus: Die Nymphen sind wieder zurück!

Sonntagsgedanken zur Debatte der letzten Woche über Zensur in Kunst und Poesie.

Politischer Moralismus:

Die Verehrung der Frau war schon immer ein Bestandteil der Kunst. Entsprechende Werke im Rahmen von Sexismus-Debatten zu zensieren finde ich verstörend, besonders in Hinblick auf echte Bedrohungen unserer Zeit. Waterhouse-Gemälde oder Gomringer-Gedichte führten meines Wissens jedenfalls noch nicht zum Anstieg von Pfefferspray-Verkäufen.

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In der vergangenen Woche entbrannte eine hitzige Diskussion zum Thema „Zensur“, nachdem bekannt wurde, dass das Gemälde „Hylas und die Nymphen“ von John William Waterhouse, das eine Szene aus der griechischen Mythologie darstellt, temporär von seinem Platz in einer Galerie entfernt wurde, um eine Diskussion über Sexismus in der Kunst anzuregen.

Die Kuratorin der Manchester Art Gallery, Clare Gannaway, erklärte dazu, dass das Ziel sei, die überholte „viktorianische Phantasie herauszufordern“, welche Frauen entweder als „passives dekoratives Element“ oder als „Femme Fatale“ zeigt. Inspiriert von der aktuellen Debatte rund um die #metoo– Bewegung, wolle man der Frage nachgehen, ob die Darstellung weiblicher Körper in einer Form, wie sie am Beispiel des präraffaelitischen Werkes zu sehen ist, noch zeitgemäß sei. Das Abhängen des Bildes sei hierbei selbst als Teil einer Kunstaktion zu sehen.

Die Aktion scheint der Logik zu folgen, die ebenfalls in diesem Monat zum Beschluss der Entfernung eines Gedichtes von der Außenwand der Berliner Alice-Salomon-Hochschule  führte. Es handelt sich dabei um das Gedicht „Avenidas“ des bolivianisch-schweizerischen Dichters Eugen Gomringer, in dem es um Alleen, Blumen, Frauen und einen Bewunderer geht (Ihr findet das Gedicht im verlinkten Artikel über diesen Fall). Der AStA der Hochschule forderte in einem offenen Brief die Entfernung, da das Gedicht bei einigen Studentinnen „ein komisches Bauchgefühl“ verursachte, weil es eine „klassisch patriarchale Kunsttradition“ reproduziere und „unangenehm an sexuelle Belästigung“ erinnere, „der Frauen alltäglich ausgesetzt sind“.

In Aktionen wie diesen sehe ich rein gar nichts, dass zu einer “Gleichberechtigung“ beiträgt. Stattdessen geht es um ein paar Einzelpersonen oder kleine Gruppen, die versuchen, dem Rest der Gesellschaft ihre Weltanschauung aufzuzwingen, Gräben weiter zu vertiefen und damit erschreckenderweise auch noch viel zu oft durchkommen.

Als ich im Radio von der Zerstörung Palmyras erfuhr, ging mir das richtig nahe.
Der Bogen ist weit gespannt, und das Abhängen eines Bildes nicht mit einem solchen religiösen oder politischen Ikonoklasmus gleichzusetzen, dennoch löst das Entfernen eines Bildes oder Gedichtes mit derartigen Begründungen ein ähnlich verstörendes Gefühl in mir aus:

Es herrscht ein neuer Zeitgeist, also muss das vorhergehende, vermeintlich überholte und nun verachtete ausradiert werden. Siehe diverse Bilderstürme und Säuberungsaktionen in Museen aus älterer und jüngerer Vergangenheit.
Man muss über Werke kontrovers diskutieren dürfen, auch wir haben in Kunstgeschichte die Alten Meister unter modernen Gesichtspunkten analysiert. Allerdings ohne ideologische Vorgaben seitens der Dozentin. Das bloße Abhängen eines Klassikers und damit die Entscheidung, was der Betrachter davon zu halten hat vorwegzunehmen, ist einer zivilisierten und aufgeklärten Gesellschaft wie unserer hingegen nicht würdig. Ich empfinde diese extreme Kleingeistigkeit beklemmend und in letzter Konsequenz gefährlich für eine freie Gesellschaft.

An Stelle des Bildes entstand Raum für Zettel, auf denen Besucher ihre Meinung kundtun konnten. Das taten sie reichlich:
Anstatt einer Diskussion um Sexismus wurde nun über Zensur diskutiert.

Und wenn ich schaue, was da tendenziell geschrieben wird, bin ich wieder guter Hoffnung – begeistert scheinen nämlich die wenigsten von dieser Aktion zu sein, seit gestern hängt das Bild wieder an seinem alten Platz, und das Gomringer- Gedicht soll zukünftig immerhin einen neuen Platz an einer Museumsfassade in der Wahlheimat des 93- jährigen erhalten.

Habt einen schönen Sonntag,

Eure Rohmy

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